Reden über Behinderung

Hildegard Legat und die übrigen Referenten der Veranstaltung

Es ist Abend am 20. Januar 2016.

Wir machen unsere erste inklusive Fort·bildung.
47 Menschen sprechen miteinander.
Menschen mit Handicap und Menschen ohne Handicap.
Wir sprechen über verschiedene Wörter für „Behinderung“.
Über Wörter aus der Medizin.
Und über Wörter aus der Rechts·sprache.
Und über Wörter aus der Sonder·pädagogik.
Und darüber, was Menschen mit Handicap erleben.

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Die Rechts·anwältin Susanne Engelhardt spricht über Rechts·sprache.
In der Rechts·sprache gibt es viele alte Wörter für Behinderung.
Zum Beispiel das Wort „Schwach·sinn“.
Das ist so: Weil manche Gesetze schon sehr alt sind.
Das muss sich ändern:
Die Wörter sollen so sein,
wie wir heute sprechen.
Denn manche alten Wörter klingen heute verletzend.

Manche Gesetze sind heute besser.
Menschen mit einem Betreuer haben jetzt viel mehr Rechte.
Sie können viel selbst bestimmen.
Aber das wissen leider nur wenige Menschen.
Sie behandeln Menschen mit Behinderung wie Kinder.
Und reden zum Beispiel nur mit dem Betreuer.
Das muss sich ändern.

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Anton erzählt:
Ich war sehr krank.
Die Bank hat mein Konto gesperrt.
Ich konnte kein Eis für meinen Sohn kaufen.
Das war schlimm.
Es hat lange gedauert:
Bis ich wieder selbst über mein Geld bestimmen durfte.

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Der Kinderarzt Dr. Legat spricht über Wörter aus der Medizin.
Er sagt: Viele Wörter werden uns geklaut.
Weil Menschen daraus Schimpf·wörter machen.
Zum Beispiel:
Das Wort „Idiot“ war früher ein Wort aus der Medizin.
Das hat es früher bedeutet:
Ein Mensch, der nicht frei in seinem Leben ist.
Weil er Hilfe braucht.
Heute ist „Idiot“ ein Schimpfwort.
Heute ist auch „behindert“ ein Schimpfwort.
Aber neue, schönere Wörter helfen nicht.
Weil: Neue Wörter ändern nichts an schlechtem Verhalten.
Die Menschen müssen besser mit·einander umgehen:
Anders·sein ist normal.

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Moni erzählt:
Mein Unter·schenkel wurde operiert.
Er ist jetzt weg.
Manche Menschen sagen zu mir „lahme Ente“ und „Krüppel“.

Holger sagt:
Ich bin nicht behindert.
Ich bin eingeschränkt.

Yasmin sagt:
Ich finde es schlimm, dass ich behindert bin.
Ich bin langsamer als andere.
Aber ich habe auch viele Stärken.

Alexandra sagt:
Ich benutze bei der Arbeit ein Drei·rad.
Die Menschen lachen darüber.
Das tut mir weh.

Jürgen sagt:
Ich sitze im Roll·stuhl.
Bei meiner Arbeit ist der Roll·stuhl hinter dem Schreib·tisch versteckt.
Das ist gut:
Dann behandeln mich die Menschen normal.

Werner sagt:
Wenn mich jemand blöd anspricht,
dann bleibe ich ruhig und sage:
„Sei froh,
dass du nicht behindert bist.“

Bernhard sagt:
Wir brauchen keine Wörter, die schöner klingen.
Es ist, wie es ist.
Die Menschen müssen sich ändern.
Damit sie sehen:
Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen.
Ein Mensch mit Behinderung ist normal.

Alexandra sagt:
Menschen haben Angst:
Wenn sie etwas nicht kennen.
Zum Beispiel bei einem epileptischen Anfall.
Wenn Menschen üben können:
Was mache ich bei einem epileptischen Anfall.
Dann haben sie keine Angst mehr.

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Wie sagt man es richtig?
Nicht gut ist: „ein behinderter Mensch“.
Weil man dann nur die Behinderung sieht.
Gut ist: „ein Mensch mit Behinderung“.
Weil das heißt:
Das ist ein Mensch,
der auch eine Behinderung hat.
Und noch viele andere Eigenschaften.

Markus Blaschek ist Sonder·pädagoge.
Er sagt:
In den letzten hundert Jahren ist schon viel passiert
für die Inklusion von Menschen.
Aber viele Menschen sind noch aus·geschlossen.
Für Inklusion ist es wichtig:
Dass Menschen mit und ohne Handicap zusammen·kommen.
Im Kinder·garten.
In der Schule.
Im Beruf.
In der Freizeit.
Damit alle erkennen:
Anders·sein ist normal.
Das wird noch lange dauern.
Inklusion kostet viel Geld.
Wenn wir nur reden und über·legen,
dann passiert nichts.
Wenn wir das Zusammen·leben ausprobieren:
dann wird es gut.
Wie im Wunder·netz.

Claudia sagt:
Ich habe eine seelische Behinderung.
Viele Menschen wissen nichts darüber.
Sie denken: Claudia ist faul.
Claudia muss sich mehr anstrengen.
Das stimmt nicht.
Ich kann sehr viel.
Aber manchmal macht mich die Arbeit krank.
Ich wünsche mir:
Das Menschen sehen, wann ich Hilfe oder Ruhe brauche.
Und dass sie sehen:
Dass ich sehr viel kann.

Hildegard Legat leitet den Kurs.
Sie sagt:
Der Kurs ist sehr schön!
Alle Menschen im Kurs fühlen sich wohl.
Niemand wird aus·geschlossen.
Viele Menschen sind sehr mutig.
Und sagen wichtige Sachen.

Oliver sagt:
„Es ist schön, wenn ihr uns zuhört!“

Yasmin sagt:
„Danke, dass ihr uns so ernst nehmt!“

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